Reiseberichte der Familie Unterwurzacher
Balkanreise nach Griechenland - Teil 1
11. bis 23. April 2014
Gesamtroute 11. bis 23. April 2014
Gesamtroute:
Kuchl (A) – Rovinj (HR) – Medjugorje (BIH) – Mostar (BIH) – Montenegro (MTN) – Albanien (ALB) – Griechenland (GR) – Igoumenitsa – Parga – Patras – Kloster Mega Spileon – Korinth – Athen – Delphi – Meteora Klöster – Ostküste – Heimfahrt – Mazedonien (MAZ) – Serbien (SRB) – Kroatien (HR) – Slowenien (SLO) – Villach (A) – Kuchl – 4996 km
VORWORT
Im Vorjahr hatten unsere Freunde, die Bochei's (Heidi und Sepp) und wir zu Ostern die Reise nach Griechenland geplant. Wie so oft im Leben, kommt es anders als man denkt. Wir (Sonja und ich) sind damals alleine nach Sizilien gefahren. Also haben wir uns für heuer die Reise über den Balkan nach Griechenland auserkoren. Die Urlaubsvertretung für unser Schuhfachgeschäft war Dank Verwandten und Freunde gesichert, also konnte es los gehen ...
Was würde uns erwarten? Man liest und hört so viel in der letzten Zeit: Abenteuerliche Straßenzustände in den Anreiseländern Montenegro und Albanien, wie man in vielen Reiseberichten lesen kann? Traumstrände in Griechenland, an denen man alleine und einsam das Meer, den Sand und die Ruhe genießen kann? An jeder Ecke Steine, Säulen und alte Tempel? Krisengeschüttelte Griechen, die auf deutschsprachige Menschen nicht gar so gut zum Sprechen sind? Wir ließen alle Vorurteile zu Hause im Mistkübel und machten uns voll Spannung auf, um unsere eigenen Erfahrungen zu sammeln - im Land der Hellenen - in Griechenland ...Sepp und Heidi sind dann leider doch nicht mitgefahren, weil es sich zeitlich nicht ausgegangen ist. Also sind Sonja, ich und unser neues Womo alleine losgezogen, um selbst zu erleben, wie denn nun Sizilien wirklich ist ...
Gott hat, als er die Welt erschuf, die Erde mit Hilfe eines Siebes verteilt und jedes Land reichlich mit Boden versorgt. Dann warf er die im Sieb gebliebenen Steine über die Schulter - so entstand Griechenland.
Daten:
Land: Griechenland (EU) Hellenische Republik
Lage: Halbinsel und Inselstaat in Südeuropa (Balkan)
10,815197 Einwohner (2011)
Fläche: 131957 km2
81,96 Einwohner pro km2
Hauptstadt: Athen (664046 Einwohner)
Größter Berg: Olymp (Mytikas 2918 m)
Längster Fluss: Aliakmonas (297 km)
Amtssprache: Neugriechisch
Religion: 97 % der Bevölkerung sind griechisch-orthodox
Reiselektüre:
Womo-Verlag: Mit dem Wohnmobil nach Griechenland
http://griechenlandforyou.jimdo.com/
und weitere Internetseiten und -Foren …
Mythologie der Griechen: Götter, Menschen und Heroen
Verschiedene Landkarten …
Anreise über den Balkan ...
11.04. – 13.04.2014
Kuchl (A) – Rovinj (HR) – Medjugorje (BIH) – Mostar (BIH) – Montenegro (MTN) – Albanien (ALB) – Griechenland (GR) – Igoumenitsa – 1967 km
Tag 1
Fr. 11.04.2014
Vormittag: Sonnig + 17° C
Nachmittag: Sonnig + 20° C
Maut Tauerntunnel: € 11,-- (einfach)
Maut Karawankentunnel: € 7,--
Autobahnvignette Slowenien (1 Monat): € 30,--
Maut Autobahn Kroatien: ca. € 12,50
Abfahrt: 05:31 - Ankunft: 21:18 Uhr
Reisezeit: 15 Stunden 47 Minuten
Kuchl (A) - Rovinj (HR) - Sibernik
0 - 466 - 776 km
Kurz vor der Abreise zu unserem Osterurlaub wird die Zeit ein bisschen knapp (natürlich ist das KEIN Stress, denn Stress macht man sich immer selber, wie ich zu sagen pflege …):
Der Plan, schon am Donnerstag Abend abzufahren, um ein paar Kilometer der langen Abfahrt hinter uns zu bringen, scheitert. Die Abreise zeitig in der Früh gegen 04:00 Uhr, wie mit meiner allerliebsten Gattin so vereinbart, scheitert trotz des frühen Wecker rasseln – auch …
Hier kommt meine – oder besser gesagt: Sonja’s angeborene, „Ichbleibnocheinbisschenliegen-Methode“ zur Anwendung …
Kurz und gut – Es ist eigentlich so wie immer: Leicht unpünktlich düsen wir um 05:31 Uhr los – Auf nach Griechenland!
In Kärnten am Faakersee machen wir den ersten Stopp, um neben einem Riesen-Osterei das Frühstück nachzuholen.
Vor dem Karawankentunnel – quasi Grenze zu Slowenien – will mir die gar nicht nette Dame im Mauthäuschen eine Monatsvignette der Klasse 2B, für sage und schreibe € 80,– aufbrummen.
Ich will nicht, weil ich nämlich gut informiert weiß, dass Wohnmobile nur Klasse 2A gehören und nur € 30,– zu bezahlen haben. Erst bei meiner dritten Verweigerung, händigt die unnette Dame, die von mir besagte Vignette aus und brummt: „Sie werden schon sehen, was sie davon haben und Strafe zahlen müssen …“
Ich muss nicht Strafe zahlen und so kommen wir ausgezeichnet und ohne Störung in Rovinj (Kroatien), unserem ersten Zwischenziel, an …
Diesen kleinen Umweg nach Istrien gönnen wir uns, weil hier gerade das Training zum Red Bull Air Race stattfindet.
Wir parken am Friedhof und genießen nach einem kleinen Spaziergang die interessante Flugshow und die schöne Stadt …
Red Bull Air Race - Rovinj (Kroatien)
Nun geht es weiter in Richtung Süden. Die Fahrt verläuft über gut ausgebaute Autobahnen der Sonne entgegen. …
Zwischengeschichtl – Nicht so schön …
Bei all den schönen Urlaubseindrücken darf man sich den nicht so schönen Seiten unserer Reiseländern nicht verschließen …
Unsere Reiseberichte zeigen meist eine halbwegs heile Welt und relativ schöne Bilder. Natürlich gibt es aber auch Negatives zu beobachten, wie zum Beispiel die vielen Rauchschwaden und der beißende Gestank von Verbrennen aller möglichen und unmöglichen Gegenstände in vielen südlichen Ländern. In unserem Heimatland Salzburg ist es hingegen sogar den Landwirten verboten, Grünabfälle im Freien zu verbrennen. In anderen EU-Ländern scheint alles erlaubt zu sein. Auch nimmt das Müllproblem mehr und mehr zu, je weiter man in den Süden kommt. Müllhalden neben der Straße oder am Strand gehören teilweise zum Alltagsleben. Ob man sich an den Anblick gewöhnt? – Wir nicht …
Einige Zeit nach Einbruch der Dunkelheit, halten wir auf dem Parkplatz einer Raststätte kurz vor Sibernik. Wir genießen das Abendessen an diesen ersten Urlaubstag und beobachten so nebenbei das Treiben auf diesem Parkplatz. Da wir ein gutes Bauch-Gefühl haben, beschließen Sonja und ich hier zu übernachten …
Tag 2
Sa. 12.04.2014
Vormittag: Sonnig + 14° C
Nachmittag: Leicht bewölkt + 15° C
Autobahnmaut Kroatien: € 46,--
Abfahrt: 09:36 - Ankunft: 22:48 Uhr
Reisezeit: 13 Stunden 12 Minuten
Sibernik (HR) - Medjugorje (BIH) - Mostar - Trebinje (BIH)
776 - 1095 - 1128 - 1307 km (531 km)
Medjugorje
Lang gefahren – lang geschlafen. Man hat ja Urlaub und hetzen lassen wir uns garantiert nicht. Trotzdem zügig geht es nach dem Frühstück weiter, endlich mal wieder mit Sicht auf das Meer. So wie auf der langen Anfahrt nach Sizilien im Vorjahr (Sizilienreise 2013), haben wir uns auch für diese Anfahrt ein paar Besichtigungspunkte zurecht gelegt. Das unterbricht die Fahrtroutine und sorgt für neue Eindrücke …
Nach dem Grenzübertritt nach Bosnien-Herzegowina geht es weiter in das Landesinnere – nämlich nach Medjugorje.
Seit dem 24. Juni 1981 soll dort die Gottesmutter Maria erscheinen und von Frieden, Glauben, Umkehr, Gebet, Fasten und Buße verkünden. Die römisch-katholische Kirche hat diese Erscheinungen bis dato nicht anerkannt. Trotzdem kommen bis zu einer Million Pilger jährlich in diesen 4300-Seelen Ort.
Mich interessieren „Wallfahrtsorte“ nicht nur als bekennender Katholik, sondern aus mehreren Gründen: Die Menschen, die Gegend, das Drumherum – manchmal spürt man etwas Besonders, manchmal ist man nur über den Trubel und die Hektik der Geschäfte, Lokale usw. erstaunt …
Während Sonja nach einem passenden Rosenkranz für unser Womo sucht, nütze ich die Gelegenheit und unterhalte mich mit einer Verkäuferin, die mir das Fotografieren im Geschäft verbietet, weil ihr Chef das nicht mag. Auf meine Fragen erzählt sie mir, dass kein einziges der vielen Geschäfte einem Einwohner von Medjugorje gehört. Auch die Angestellten sind von auswärts. Momentan ist nicht so viel los – die Hauptsaison beginnt erst. Dann schieben sich noch viel mehr Pilger in Massen durch den Ort. Neben erzählt mir eine ältere Dame aus Belgien voll Stolz, dass sie schon seit einem Jahrzehnt jedes Jahr hierher kommt …
Nach dem Mittagessen fahren wir ein paar Kilometer weiter, zum Berg der Erscheinung: Hier gibt es Gott sei Dank nur wenige Souvenirläden und wenn man auf den steilen, steinigen Pfad ca. eine dreiviertel Stunde nach oben steigt, kehrt Ruhe ein. Auf dem Kreuzweg sind einige Pilgergruppen unterwegs. Ein paar singen, beten – andere steigen still den Berg hoch …
Hier am Gipfel des Verkündigungsberges ist es ruhig und schön. Hier gefällt es uns beiden und wir verbringen einige Zeit gemeinsam in dieser Symbiose von Natur und der von Menschenhand errichteten Kreuze …
Parkplatz Verkündigungsberg
GPS: N 43,18194° E 17,66795°
Mostar
Ganz anders geht es in der ca. 30 Kilometer entfernten größten Stadt in Herzegowina – in Mostar zu. Zerschossene Gebäude erinnern als Mahnmale an den Bosnienkrieg von 1992 bis 1995. Wir parken in der Nähe eines solchen „Kriegsdenkmales“ und erleben nebenan eine Demonstration mit scharfen Reden. Auf der Straße fährt ein Konvoi mit hupenden Autos und fahnenschwingenden Moslime an uns vorbei. Auf der einen Seite sehen wir einige katholische Kirchen auf der anderen Seite viele Moscheen.
Die berühmte „Alte Brücke“ – Stari Most – die der Stadt den Namen gab und den Fluss Neretva überspannt, gilt seit dem 16. Jahrhundert als Traum zwischen altem Orient und Moderne, als Brücke zwischen Ost und West, zwischen islamischer und katholischer Welt, aber auch zwischen katholischen Kroaten und orthodoxen Serben.
Die Brücke Stari Most wurde im Bosnienkrieg zerstört und 2004 wieder aufgebaut. Sie gehört zum Weltkulturerbe der UNESCO und soll als Symbol der Versöhnung und für das Zusammenleben von verschiedenen religiösen, kulturellen und ethnischen Gemeinschaften mehr verbinden als trennen …
Ein bisschen nachdenklich verlassen wir Mostar und setzen unseren Weg nach Griechenland fort. Zuerst geht es über die Grenze nach Kroatien, um nach kurzer Zeit wieder nach Bosnien-Herzegowina zu wechseln. Aber nicht lange und nach ein paar Kilometern entlang des Meeres, fahren wir wieder in Kroatien ein. Klingt ein wenig verwirrend – ist es aber nicht. Als wir Dubrovnik erreichen, ist bereits die Nacht herein gebrochen. Aus diesem Grund und weil wir diese sehenswerte Stadt schon einmal besucht haben (bei unserer ersten Reise mit dem eigenen Wohnmobil: Kroatienreise 2007), fahren wir gleich weiter und überqueren zum dritten Mal an diesem Tag. die Grenze nach Bosnien-Herzegowina. Kurz vor 23:00 Uhr suchen wir in einer Stadt, die Trebinje heißt, ein ruhiges Plätzchen zum Übernachten …
Tag 3
So. 13.04.2014
Vormittag: Leicht bewölkt + 12° C
Nachmittag: Sonnig + 17° C
Abfahrt: 08:09 - Ankunft: 22:48 Uhr
Reisezeit: 14 Stunden 39 Minuten
Trebinje (BIH) - Montenegro (MTN) - Albanien (ALB) - Griechenland (GR)
1307 - 1333 - 1448 - 1967 km (660 km)
„Am siebten Tag sollst du ruhen“ – dies ist leider heute nicht einzuhalten, denn wir nützen diesen Sonntag, um Griechenland auf dem Landweg zu erobern. Dazu müssen wir aber erst durch Montenegro und Albanien. Wir sind schon gespannt, wie die Straßenverhältnisse und die Länder sind. Man hört ja zum Teil wahre Schauergeschichten – aber wir wollen uns selbst ein Bild machen. Nach ein paar Kilometern überqueren wir die Grenze zu Montenegro …
Wir kommen etwas langsamer voran, aber es geht: Enge Bergstraßen, Bauarbeiten und schön ausgebaute, total neue Straßen wechseln sich ab.
Unsere Route führt laut Navi quer durch das Land. Im Vergleich zu den bisher bereisten Ländern ist an den Dörfern und Häusern doch zu erkennen, dass wir uns in einem nicht so reichen Land befinden. Ja, man kann sogar sagen, dass man sich in einer anderen Welt befindet.
Die Menschen sind keineswegs unfreundlich – im Gegenteil. Aber alles sieht für unsere wohlstandgewohnten Augen arm aus. So richtig erschütternd ist der Zustand von Roma-Siedlungen, an denen wir vorbei fahren.
Zwischengeschichtl – Grenzübergänge …
Man möchte es fast nicht glauben, aber wenn ich richtig mitgezählt habe, dann haben wir auf dieser Reise insgesamt 15 Grenzübertritte hinter uns gebracht. Allesamt ohne größere Wartezeiten und Schwierigkeiten. Sonja hat schon ein richtiges Päckchen mit Pässe, Führerschein, Typenschein und grüne Versicherungskarte (wurde fast überall verlangt) hergerichtet. Fast überall wurden die Pässe auch gescannt und mit einem Stempel „verziert“. Lange Wartezeiten und das Ausräumen des gesamten Fahrzeuges, wie wir bei Anderen gesehen haben, mussten wir nicht in Kauf nehmen.
Nur einmal, bei der Grenze zu Albanien, dachte ich, nun ist es soweit:
Ein Zollbeamter hatte unser Fahrzeug in sein Visier genommen. Auffallend oft sah er zu uns her und holte sich zwei weitere Kollegen zur Verstärkung. Immer wieder zeigten sie auf unser Wohnmobil und als sie auf uns zukamen, dachte ich, nun müssen auch wir unser Fahrzeug zur Kontrolle ausräumen.
Im gebrochenen, aber verständlichen Deutsch erläuterte uns der Zollbeamte, dass sein Kollege ein Wohnmobil kaufen will und ob sie sich nicht unser Vehikel anschauen dürften. Natürlich und selbstverständlich zeigte ihnen Sonja unser fahrendes Zuhause.
Die drei Zollbeamten waren von der Privatführung sehr angetan und stellten viele Fragen. Auf meine Frage, ob sie mir das Wohnmobil abkaufen wollten, lachten sie und wünschten uns noch eine schöne Reise …
Nach dem Grenzübertritt (Albanien) sind wir positiv überrascht: Wir tuckern auf einer wunderbaren, neuen Straße in Richtung Süden dahin. Nach kurzer Zeit ändert sich die Lage und es wird zum Teil schlechter, als es in Montenegro schon war. Wir erleben all das, was wir schon vorher in vielen Schauergeschichten gehört haben: Menschen, Tiere, Pferde- und Eselfuhrwerke sowie Radfahrer auf allen Straßen in allen Richtungen unterwegs; Schlaglöcher so groß wie LKW-Reifen, Steine, offene Kanaldeckel, grausame Brückenübergänge und Sonstiges auf der Fahrbahn zu finden. Teilweise sind Bergstraßen durch Hangrutschungen zur Hälfte weg und nur durch große Steinhaufen gesichert. Durchschnittsgeschwindigkeit: ca. 30 km/h.
Das hört sich jetzt vielleicht dramatischer an, als es wirklich ist: Wir finden nämlich auch viele nette Leute, die uns zuwinken und uns hilfsbereit im gebrochenen Englisch (so wie wir …) weiter helfen, als wir sie um den Weg fragen. Erstaunt sind wir über die massive Polizeipräsenz, die uns aber immer freundlich weiterwinkt. Durch einen hilfsbereiten Albaner werden wir auf eine neue Schnellstraße aufmerksam gemacht, die unser Navi und auch die vorhandene Landkarte noch nicht kennt.
Nach einigen Umwegen finden wir in der Nähe von Fier die besagte Schnellstraße und können nun unsere Reisegeschwindigkeit (abgesehen von den Brückenübergängen, die auch auf der neuerbauten Straße einfach katastrophal sind) wesentlich erhöhen. So erreichen wir gegen 18: 30 Uhr die griechische Grenze und dürfen auch hier das Innere unseres Wohnmobils einem interessierten Zollbeamten zeigen …
Zwischengeschichtl – Wir werden vrefolgt …
Seit 18:34 Uhr befinden wir uns nun auf griechischen Boden. Ich rieche förmlich schon Gyros und Tsatsiki und seh‘ den Alexis Sorbas „Sirtaki“ (ich weiß, dass es kein altgriechischer Tanz, sondern nur eine Filmerfindung ist …) tanzen …
Aber auf einmal fühle ich mich nicht mehr wie Alexis Sorbas sondern eher wie James Bond – wir werden nämlich verfolgt! Nein, ich leide nicht an Verfolgungswahn: Kurz nach der Grenze haben wir ein Wohnmobil (eines der wenigen bisher auf dieser Reise) an einem See gesehen und seit geraumer Zeit fährt dieses Womo mit holländischer Autonummer hinter uns her. Wenn ich auf’s Gas steige, wird auch der Holländer schneller, wenn ich langsamer werde, lässt er sich auch zurück fallen. Zuerst haben wir uns ja weiß Gott nicht viel gedacht, aber jetzt nach ca. 100 (!) Kilometern kommt uns die Sache dann doch ein bisschen komisch vor? Sonja vermutet, dass der Holländer hinter uns meint, dass wir uns in Griechenland auskennen und dass wir vielleicht einen guten Stellplatz ansteuern.
Wir haben zwar den „Schulz-Reiseführer: Mit dem Wohnmobil nach Griechenland“ vor uns, aber wirklich auskennen tun wir uns wahrlich nicht und welcher Wohnmobilist fährt bitte einem anderen unbekannten Wohnmobilisten über 100 Kilometer hinterher?In der Nähe von Igoumenitsa fahren wir von der Autobahn ab. Es ist in der Zwischenzeit finster geworden und den Holländer haben wir noch immer im Schlepptau. Als mich mein Navi in eine Straße mit „Einfahrt verboten“ (einer der wenigen Fehler von „Susi“) lotsen will, bleibe ich an einer Ausweichstelle stehen – hinter mir mein holländischer Verfolger. Ich nützte die Gelegenheit, um mal nachzufragen, was da so vor sich geht …
Als mich der Wohnmobilfahrer auf sich zukommen sieht, steigt auch dieser aus: „Hallo, ik bin ein Holländer und fahre Ihnen nach, weil ich einen Stellplatz suche …!“ . „Hallo, ik bin ein Österreicher“ und während ich ihm die Hand schüttle, frage ich weiter: „machen Sie das öfter, dass Sie einem fremden Wohnmobil fast 140 Kilometer nachfahren?“. „Nein,“ sagt der freundlich lächelnde Holländer: „das ist das erste Mal, aber Sie haben einen so sicheren Eindruck gemacht, als würden Sie schon öfters hier gewesen sein und sich auskennen ….“
Nachdem ich ihm klar gemacht habe, dass wir uns überhaupt nicht auskennen und nur laut dem Reiseführer auf der Suche nach einem speziellen Übernachtungsplatz – quasi „Traumplatz wie im Paradies“ – sind, beschließt der nette Holländer: „Is gut: Sie fahren vor und ik fahre Ihnen nach, egal wohin es geht.“
Na dann mal los: Immer dem Navi und dem Reisführer Schulz nach. Wir passieren einige schöne Plätze neben dem Meer, an denen es sich sicherlich wunderbar übernachten lässt, auch auf dem im Buch angegebenen Brackwasserdamm würde es sich gut stehen lassen.
Ich halte nochmals an und nachdem ich nun auch die Gattin meines neuen Bekannten begrüßt habe, frage ich, ob wir nicht hier unsere Wohnmobile abstellen sollten? „Nein, nein – jetzt wollen wir schon den schönen Platz vom Herrn Schulz sehen: Sie fahren vor und ik …“
Nun gut: Nach dem Brackwasserdamm wird die Straße schmäler, geht bergauf und ist nur mehr geschottert. Der ca. 6 Kilometer lange Weg führt hinauf und hinab, teilweise sehr steil und kurvig. Die Äste hängen herein, wenn man um die Kurve fährt, sieht man nicht wo es weiter geht. Schulz beschreibt die Strecke als „Holperpiste“.
Mag sein, dass die Dunkelheit das Ganze etwas verschärft -es ist mittlerweile schon nach 22:00 Uhr, aber den Ausdruck Holperpiste empfinde ich als stark untertrieben. Ich mach mir ein bisschen Sorgen um unser Wohnmobil, noch mehr Sorgen machen wir uns um unseren holländischen Verfolger.
Ich fahre sehr langsam und warte ein paar Mal, bis ich die Lichter des Holländers hinter uns durch die Bäume aufblitzen sehe. Es kann nicht mehr weit sein, das Meer ist nah, als ich bei der einzigen Gabelung auf diesen 6 Kilometern falsch abbiege und danach auf der steilen Schotterstraße Richtung Meer runterfahre.
„Bitte wenden“ sagt die freundliche Stimme von Susi (Navi) „du kannst mich mal …“ sage ich und mein natürlich das Navi, weil wenden nicht gut möglich ist. Sonja und ich können nur noch hoffen, dass am Ende der Straße ein Platz zum Umkehren vorhanden ist …
Nach gut 150 Metern erblicken wir – Gott sei Dank – am Ende der Straße einen leicht geneigten, aber relativ großen Parkplatz, der sogar asphaltiert ist. Mir fällt doch ein Stein von Herzen und ich frage gleich einen Arbeiter, der hinter einem Zaun erstaunt meine Ankunft beobachtet, ob wir hier stehen bleiben dürfen. Ich glaube, er hat mich verstanden, denn er antwortet freundlich: „No Problem …“
Nun biegt auch die Holländer um die Kurve und als er mit Schweiß auf der Stirn aussteigt, sind seine ersten Worte: „Ik fahre nie wieder einem Österreicher hinter her …“
Wir machen uns vorerst einmal näher bekannt. Rieky und Nico Bens, die beiden Holländer, sind auf einer ca. 2-monatigen Tour und auch zum ersten Mal in Griechenland. Dass der Einstieg in dieses Land so aufregend erfolgt, haben wir uns alle Vier nicht gedacht. Während wir so über die abenteuerliche Anfahrt palavern, kommt Angelo, der griechische Arbeiter und lädt uns ein: „Come on …“. Wir folgen ihm zu seinem Boot … „come on …“. Galant hilft der den Damen ins Boot und schon geht es los: Es ist mittlerweile nach 22:00 Uhr und wir machen eine schaukelnde Bootsfahrt in die Dunkelheit hinein …
Abenteuer pur und genau nach meinem Geschmack …
Angelo erklärt uns im gebrochenen Englisch, dass er Arbeiter einer Fischzucht ist und diese will er uns jetzt mitten in der Nacht noch zeigen. Nach ein paar Minuten steigen wir aus. Auf Grund der dunkelschwarzen Nacht sehen wir nur sehr, sehr wenig, es ist aber trotzdem einfach wie in einem Film. Auf griechisch erzählt uns Angelo viel über die Fischzucht und die Fischarten, die sich darin tummeln. Wir verstehen nicht wirklich viel, dass macht aber nichts. Als wir wieder zurück gekehrt sind, schenkt Ricky dem Angelo ein paar holländische Bier, die er zuerst gar nicht annehmen will. Er ist einfach nur glücklich, dass er uns eine Freude bereit hat – wirklich nett. Zum Abschluss gibt er uns noch ein paar Visitenkarten seiner Mutter, die ein Lokal in Griechenland betreibt. Sie hat zwar derzeit geschlossen und sperrt erst im Juni auf, aber falls wir wieder einmal nach Griechenland kommen sollten, würde sich Angelo und seine Mutter sehr über einen Besuch freuen …
Wir beschließen auf Grund der späten Stunde und des schwierigen Weges die Gastfreundschaft von Angelo anzunehmen und hier zu übernachten. Ganz richtig wird die Anfahrt wohl nicht gewesen sein, entweder Schulz hat sich geirrt oder unsere Susi, aber das ist jetzt völlig egal …
Die Nacht endet dann noch mit einer kurzfristig organisierten Geburtstagsfeier für Nico im Wohnmobil und wir übersehen fast die Zeit, vor lauter Wohnmobil-Gesprächen, ehe wir sehr, sehr spät schlafen gehen. Herzlichen Dank an Rieky und Nico für die großzügige Gastfreundschaft und die netten Gespräche …